Tag des offenen Denkmals
- Münzstraße -
13.09.2009, Wuppertal
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Am Tag des offenen Denkmals haben wir die
Gelegenheit genutzt, die Gebäude der alten Genossenschaftszentrale
"Vorwärts" in der Münzstraße zu besichtigen. Sie gehören
zu den wichtigsten Zeugnissen der Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Es wurden an diesem Tag mehrere Führungen
angeboten. Darüber hinaus konnte man sich die Ausstellung über
die Geschichte des Gebäudekomplexes in der Zeit des Nationalsozialismus
und der Nachkriegszeit anschauen und mit Vereinsmitgliedern und Zeitzeugen
ins Gespräch kommen. |
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Zeitgleich wurde an diesem Tag in der Konsumgenossenschaft
"Vorwärts" in der Münzstraße auch die Ausstellung "Durch
Tunnel und Viadukte – 130 Jahre Rheinische Strecke"eröffnet. Eine
Dokumentation der Eisenbahn, Industrieansiedlung und Stadtentwicklung mit
einer Werkstattschau der zukünftigen Industriekulturroute "Nordbahntrasse".
Eröffnet wurde die Ausstellung von Wuppertals
Oberbürgermeister Peter Jung.
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Oberbürgermeister Peter
Jung
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Den ebenfalls im Rahmen dieser Ausstellungseröffnung gehaltenen
Vortrag zur Geschichte der Rheinischen Strecke haben wir mit Interesse
verfolgt, bevor wir unsere Aufmerksamkeit den Ausstellungen gewidmet haben,
die beide sehr anschaulich gestaltet waren.
So hat die Ausstellung zur Historie des Gebäudes bereits einen
ersten Eindruck von der wechselvollen Funktionalität vermittelt, der
bei der Führung dann noch eindrucksvoll vertieft wurde. |
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Utensilien von Wehrmachtssoldaten
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Care-Paket aus Amerika
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Da die Geschichte der ehemaligen Genossenschaftszentrale
in der Münzstraße in Wuppertal so außerordentlich interessant
und wirtschafts- und sozialgeschichtlich bedeutend ist, haben wir ein paar
wesentliche Eckdaten, die bei der Führung thematisiert wurden, im
Folgenden zusammengefasst.
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Das Lager- und Kontorhaus mit seiner schmucken Jugendstilfassade
bildete damals den zentralen Blickpunkt für das gesamte Bahnhofsgelände
Heubruch und demonstrierte nach außen das wachsende Selbstbewusstsein
der aufstrebenden Arbeiterbewegung. |
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Im Zuge der Industrialisierung und der mit
ihr in zunehmenden Maße einhergehenden sozialen Frage kam es in Deutschland
Ende des 19. Jahrhunderts zur Gründung zahlreicher Konsumgenossenschaften,
deren Ziel es war, die Versorgungslage der Arbeiter und Handwerker zu verbessern.
1899 gründete die Gewerkschaftskommission
Elberfeld-Barmen die Konsumgenossenschaft "Vorwärts". Diese erwarb
1904 ein großes Gelände am Bahnhof Heubruch, um dort gute und
preiswerte Lebensmittel für die Mitglieder durch eine selbstverwaltete,
sozialistische Wirtschaft zu produzieren.
Auf dem Gelände wurden ein Kontorgebäude,
eine Kaffeerösterei, eine Bier- und Limonadenabfüllung, eine
Bäckerei, ein Zentrallager sowie Wohnhäuser für Mitarbeiter
und Mitglieder der Genossenschaft errichtet.
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Es überraschte uns, wie modern und fortschrittlich, die Anlagen
bereits aufgebaut waren. So war die Genossenschaftszentrale durch eine
eigene Bahntrasse, die sowohl unter das Lager- und Kontorhaus als auch
über eine Drehscheibe zu den Kellereien unter dem Hof bis hin zum
Bäckereigebäude führte, mit dem Eisenbahnnetz des ehemaligen
Güterbahnhofs "Heubruch" verbunden. Auf diese Weise konnten beim Erzeuger
in großen Mengen georderte Waren direkt angeliefert werden.
Leider war die Bahntrasse zum Zeitpunkt der Führung aufgrund von Sanierungsmaßnahmen
nicht begehbar.
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Als erster Eigenbetrieb konnte 1906 die Großbäckerei
in Betrieb genommen werden, in der das Brot für die etwa 4000 Mitgliedsfamilien
gebacken wurde.
Die beständig anwachsende Mitgliederzahl
(1909 waren es schon über 10.000, 1912 bereits 14.000 Mitglieder )
machte eine Expansion erforderlich. 1912 wurde daher das benachbarte Fabrikgelände
für den Bau einer weiteren Großbäckerei erworben. Diese
Großbäckerei wurde dann in den beiden ersten Jahres des Ersten
Weltkrieges erbaut und war in ihrer Zeit die größte und modernste
Bäckerei nicht nur in der Stadt, sondern in der ganzen Region. Mehr
als 50.000 Brote täglich wurden zeitweise produziert.
Im Jahre 1924 schlossen sich die drei großen
Konsumgenossenschaften der Region unter dem Namen Konsumgenossenschaft
„Vorwärts-Befreiung“ zusammen. Mit mehr als 48.000 Mitgliedern und
800 Beschäftigten gehörte sie zu den größten Konsumgenossenschaften
in Deutschland. |
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Der Eingang zur "neuen Bäckerei". Über dem
Portal ist das Baujahr des Gebäudes,1914 bis 1916, verzeichnet. |
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Als sich Ende der 20er Jahre die Räumlichkeiten in der Münzstraße
als zu klein erwiesen, erstand die Genossenschaftszentrale ein Baugelände
für ein großes neues Produktions- und Verwaltungsgebäude
zwischen Elberfeld und Barmen und überließ dafür im Tausch
das Gelände an der Münzstraße der Stadt Wuppertal.
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Überbleibsel aus der NS-Zeit:
der Schriftzug "Reitersturm 1/72 Eingang" an der Remise, einem Flachbau
aus roten Backsteinen, der von der Konsumgenossenschaft als Gebäude
für die Fuhrwerke und als Verladestation genutzt wurde. Ab
1934 gehörte das Gebäude dem SA-Reitersturm 1/72. |
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1933, nach der Machtübernahme
der Nationalsozialisten,
beschloss der Stadtrat den
Ausbau des Gebäudes zur SA-Kaserne. Von hier aus wurde in der Folge
der Terror gegen politische Gegner organisiert. Die Kellergewölbe
dienten dabei vor der Errichtung des Wuppertaler KZs Kemna als illegale
Haftanstalt für Antifaschisten.
Die Wahl des Gebäudes stellte für
die Inhaftierten eine gezielte Demütigung dar, denn diese setzten
sich - als politische Hauptfeinde der Nationalsozialisten - in erster Linie
aus Mitgliedern der oppositionellen Arbeiterbewegung zusammen, für
die das Gebäude einst ein bedeutendes Prestigeobjekt gewesen war. |
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1935 wurde in der Münzstraße ein
SA-Hilfswerklager (Umschulungsstätte) für arbeitslose SA-Mitglieder
eingerichtet. Ab 1936 wurde der Gebäudekomplex von der Wehrmacht genutzt.
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Bei der Bombardierung Wuppertals im Jahre
1943 war auch die Münzstraße betroffen. Im Vergleich mit den
Zerstörungen in den Innenstädten von Elberfeld und Barmen hielt
sich der Schaden aber noch in Grenzen.
Da hier ideale Voraussetzungen wie große
Lagerflächen, Bahnanschluss und Luftschutzvorrichtungen bestanden,
verlagerte man die Wehrmacht und brachte mit dem Lebensmittelgroßhandel
"KOMA", dessen Zentrale in Elberfeld ausgebombt worden war, eine zentrale
Verteilungsstelle für Lebensmittel in den Gebäuden unter. |
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Dieser Hinweis zum Luftschutzraum in dem Gebäude
der neuen Großbäckerei wurde während der Sanierungsarbeiten
freigelegt. |
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Als in den ersten Jahren nach Kriegsende in
Deutschland eine schlimme Hungersnot herrschte, blühte im Umfeld der
Lebensmittelzentrale an der Münzstraße der "Schwarzmarkt" mit
Lebensmitteln, bis sich die Lage mit der Währungsreform 1948 allmählich
besserte.
Angesichts tausender Flüchtlinge und
Vertriebener, die in den ersten Nachkriegsjahren nach Wuppertal kamen,
wurde für diese 1947 in der Remise ein Auffangquartier eingerichtet.
Nachdem die KOMA 1954 eine neu errichtete Zentrale in Elberfeld bezogen
hatte, baute man das Flüchtlingsauffanglager weiter aus. Unter anderem
entstand neben weiteren Einquartierungsräumen ein Vermittlungsbüro
für Wohnraum, ein Möbellager und ein Kindergarten für die
Flüchtlingskinder.
Nach Abschwellen der Wohnungsnot nutzte man
die Räumlichkeiten für städtische Werkstätten und vermietete
sie an private gewerbliche Kunden. Aufgrund eines erneuten Zustroms von
Flüchtlingen wurde die ehemalige Genossenschaftszentrale 1984 zum
Asylbewerberheim, in dem zuletzt Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien
untergebracht waren, bis das Heim schließlich 2000/2001 aufgelöst
wurde.
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Die Führung, geleitet von dem Historiker
Salvadore Oberhaus, war außerordentlich interessant und anschaulich
gestaltet. Geschichte wurde in unmittelbarer Nähe erlebbar.
Wir sind froh, dass der 2004 gegründete
Förderverein Konsumgenossenschaft „Vorwärts“- Münzstraße
e.V. es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen geschichtsträchtigen,
1999 unter Denkmalschutz gestellten Gebäudekomplex in der Münzstraße
vor dem Verfall zu bewahren und als „historischen Lernort“ zu nutzen.
Leider hatten wir an diesem Tag keine Zeit
für ausführlichere Gespräche mit Mitgliedern des Fördervereins
und Zeitzeugen, hoffen aber, dass wir das bei anderer Gelegenheit nachholen
können, da glücklicherweise in regelmäßigen Abständen
Veranstaltungen, Führungen und Ausstellungen vom Förderverein
angeboten werden. |
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Weitere Informationen zur Geschichte der Gnossenschaftsgebäude,
Lernmaterialien für den Unterricht sowie Termine der aktuellen Führungen,
Aktivitäten und Veranstaltungen des Vereins unter:
vorwaerts-muenzstrasse.de
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