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Die Schwarzmarktzeit 1945-1948
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Die Situation nach dem Krieg

Während des Übergangs vom Krieg zum Frieden, erlebte die zivile Bevölkerung in Deutschland zunächst ein Vakuum, eine Art „Niemandszeit“. Die alten Löhne wurden nicht mehr bezahlt, die neuen waren noch nicht in Aussicht gestellt. Die alten Lebensmittelkarten waren ungültig, neue waren noch nicht ausgegeben worden. Die Betriebe, Läden und Banken waren geschlossen.
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Die einzige Möglichkeit, an Lebensmittel und dringend benötigte Kleidung und Gebrauchsgegenstände zu kommen, war in dieser Zeit der Schwarzmarkt. Er war überlebensnotwendig geworden, vor allem für die Stadtbevölkerung, die kaum eine andere Möglichkeit hatte, sich selbst zu versorgen. 

Auch als die Besatzer die öffentliche Ordnung wieder hergestellt hatten, und es wieder Lebensmittelkarten und Bezugsscheine gab, war die Versorgungssituation weiterhin äußerst prekär. Der Mangel, der schon während des Krieges beträchtliche Ausmaße angenommen  hatte, verschärfte sich nach dem Krieg sogar noch auf katastrophale Weise.

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Lebensmittel gegen Schuhe.
Schwarzmarktszene in Hamburg
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Die vor dem Krieg angefüllten Vorratskammern waren nun leer und es gab keine Lieferungen mehr aus den ehemals besetzten und neutralen Gebieten. Aufgrund der immensen Kriegszerstörungen gelang es nur sehr schleppend, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Chronische Versorgungslücken sorgten dafür, dass der Schwarzhandel immer mehr zu einer unverzichtbaren Ergänzung der offiziellen Planwirtschaft wurde.
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"Stoppeln": Hungrige Städter durchsuchen das abgeernte Feld nach übriggebliebenen Kartoffeln
... Besonders die landwirtschaftliche Produktion verzeichnete nach dem Krieg erhebliche Einbußen hervorgerufen durch Gebietsverluste, Mangel an Dünger jeder Art, durch Vieh- und Maschinenverlusten, Arbeitskräftemangel, Kriegszerstörung, fehlende Betriebsmittel, etc.

Deutschland war nicht in der Lage die Nahrungsmittelversorgung für seine Bevölkerung aus eigener Kraft zu leisten.

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Die Versorgung mit Lebensmitteln sollte in den folgenden Nachkriegsjahren zu einem Hauptproblem werden.
Die Lebensmittelrationen für die Bevölkerung lagen weit unter dem physischen Existenzminimum von 2000 Kalorien pro Tag (für Normalverbraucher). 1946 und 1947 sanken sie in manchen Bereichen Deutschlands sogar auf unter 900 Kalorien pro Tag. Selbst noch 1948 wurden die angestrebten 1500 Kalorien Tagesration selten erreicht. 

Rechtes Bild: Aus einem Zeitungsbericht der "Picture Post" , 31. August 1946.

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Quelle: Die Schwarzmarktzeit, Bild 41.
Gemüseanbau vor den Ruinen des Brandenburger Tors, Berlin Sommer 1946.
.. Als Maßnahme der Selbsthilfe wurden Städter auch selbst zu Bauern. Von den Behörden wurden Grünanlagen und ehemalige Militärgelände als Kleingartenanlage zur Verfügung gestellt. Vierhundert Morgen des Berliner Tiergartens wurden auf diese Weise bewirtschaftet.

Alles Essbare wurde verwertet unter anderem Frösche, Schnecken, Beeren, Eicheln, Brennesseln, Pilze und Löwenzahn. Not- und Ersatzrezepte waren an der Tagesordnung. So gab es Ersatzwurst aus Fisch, Torte aus Kaffeesatz, Suppe aus Futterrüben. 

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Eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung konnte durch solche Maßnahmen allerdings nicht gewährleistet werden. Aber zumindest half es, hier und da die größte Not ein wenig zu lindern. 
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Die permanente Mangelversorgung mit Lebensmitteln führte bei weiten Teilen der Bevölkerung zu extremer Unterernährung und Hungerödemen. 

Besonders lebensgefährlich war die Situation für Säuglinge, Alte und Kranke. Zahlreiche Krankheiten wie Tuberkulose, Wassersucht und Osteoporose breiteten sich aus. Kinder litten oft an Rachitis und Krätze. 

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Quelle: In Darkest Germany, table 14.
Unterernährte Kinder einer Düsseldorfer Schule, 1946
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Die mangelnde Ernährung führte zu einer rapiden Abnahme der Arbeitsleistung. Neben körperlichen Folgen führte sie auch zu einer Reihe psychischer Störungen. Viele litten unter Konzentrationsschwäche und Gedächtnisproblemen. Der Hunger führte auch zu einer zunehmenden Aggressivität und asozialem Verhalten. Die Selbstmordrate war hoch wie nie.
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Quelle: In Darkest Germany, table 39.
"Schuhe" von Schulkindern in Hamburg, 1946
.. Bereits zwei Jahre vor Ende des Krieges war die Versorgung der Bevölkerung mit Kleidung eingestellt worden. Dieses hatte schon während des Krieges zu einem enormen Mangel an Textilwaren und Schuhen geführt.

Nach dem Krieg verschlechterte sich die Situation allerdings noch drastischer.

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Die noch aus Kriegszeit vorhandenen Bestände waren mittlerweile erschöpft. Die Neuproduktion war aufgrund der verherrenden Kriegszerstörungen, der Demontage von Industrieanlagen durch die Alliierten und des immensen Materialmangels noch nicht in einem ausreichenden Ausmaße angelaufen. Aus Mangel an Säuglingswäsche wurden Neugeborene in Kliniken sogar teilweise in Zeitungspapier gepackt, um sie auf dem Weg von der Entbindungsstation nach Hause zu wärmen.
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Auch die Versorgung mit anderen industriell erzeugten Verbrauchsgütern war auf ein Bruchteil der Produktion der Vorkriegszeit reduziert. Verschleiß an Hausrat, Werkzeugen, Maschinen war daher kaum ersetzbar. Es herrschte selbst Mangel an Kleinigkeiten wie Streichhölzern, Schuhcreme, Schuhbändern, Stopf- und Nähgarn, Rasiermesser, Seife, etc.
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Quelle: In Darkest Germany, table 128.
Wohnhaus in Hamburg
. Besonders schlimm traf die Bevölkerung im zerstörten Deutschland darüber hinaus die Wohnungsnot. Millionen Deutsche benötigten als Flüchtlinge, Evakuierte und Ausgebombte eine Unterkunft.  . Quelle: In Darkest Germany, table 121.
Luftaufnahme vom kriegszerstörten Hamburg
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Kellerwohnung in Hamburg. Das eine Zimmer wird von zwei Familien mit insgesamt 12 Personen bewohnt, Juli 1946.
... Aber ein Großteil der Wohnungen, inklusive der hygienischen Einrichtungen war zerstört. Vielfach gab es keine Wasser-, Gas- und Stromversorgung mehr. 

Wohnungen wurden zwangsweise zugewiesen und oft lebten 5 und mehr Personen in 1-2 Zimmern. Zusätzlich wurden als Notbehelf Barackenlager aus Wellblech, sogenannte Nissenhütten, errichtet. 

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Dass die Probleme auch 1947 noch nicht gelöst waren, zeigen die Proteste und Demonstrationen gegen die schweren Versorgungsmängel, die es Anfang 1947 bis April 1947  in allen Ländern der  Bizone (amerikanisch-britischen Zone) gab.   
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Im Bericht des Arbeitsamtes Ludwigsburg an die vorgesetzte Behörde wird die Situation Ende Januar 1947 folgendermaßen beschrieben:
„Der Hungerruf, ausgehend von Rhein und Ruhr, pflanzte sich, die Furchtgefühle der breiten Massen um das nackte Dasein weckend, unheilverkündend in dem ganzen Gebiet der britisch-amerikanischen Zonen fort. Die überall in Ordnung durchgeführten Streiks – übrigens keine direkte Möglichkeit auch nur das Geringste mehr zu erzeugen – werden keineswegs, wie in aller Welt üblich, um eine Erhöhung des Lohneinkommens oder um die Verkürzung der Arbeitszeit schlechthin geführt, sie berühren vielmehr die Grundlagen jeglicher Arbeit. Der Bogen der Entbehrungen ist für weite Kreise überspannt. Es fehlen geradezu den ehrlich arbeitenden, den die Gesetze achtenden Werktätigen die Voraussetzungen, unter denen allein eine harte Arbeit auf Dauer durchzuhalten ist: nämlich die ausreichende Ernährung, die notwendige Kleidung und mancherorts sogar die Möglichkeit zur Erholung von der schweren Arbeit in einer menschenwürdigen Wohnung.“
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Quelle: Entering Germany, S.124.
Mannheim, Oktober 1948
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Die Lage nach dem Krieg war ein ideales "Treibhausklima" für den schwarzen Markt. Je größer der Mangel wurde, desto stärker dehnte er sich aus. Es sollten mehrere Jahre nach Ende des Krieges vergehen, bis endlich "Taten" folgten, die die Versorgungslage derart verbesserten, dass den Schwarzmarktgeschäften schließlich der Nährboden entzogen werden konnte. 
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