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Die Schwarzmarktzeit 1945-1948
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Erscheinungsformen des Schwarzmarktes
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Nach dem Krieg lebten die Formen des schwarzen Kleinverkehrs aus der Kriegszeit fort. Zusätzlich entstanden aber darüber hinaus kurz nach dem Krieg sogar öffentliche Märkte des Schwarzhandels. 

Diese erfuhren eine räumliche Institutionalisierung auf Straßen, Plätzen und vor Bahnhöfen. Sie wurden bald zur festen Einrichtung für jedermann zugänglich und wurden von den Behörden meist gezwungenermaßen geduldet. 

Rechtes Bild: Schwarzmarkt im Barackenlager ehemaliger ausländischer Zwangsarbeiter

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Schwarzmarkt vor dem Berliner Reichstag
.. Die bedeutendsten öffentlichen Schwarzmarktzentren nördlich des Mains waren Berlin, Hamburg, Hannover, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Auch kleinere öffentliche Märkte (meist am Bahnhof) bildeten sich im Verlaufe des Jahres in Städten mit unter 100 000 Einwohnern. 

Es wurden zwar immer mal wieder Razzien gegen diese institutionalisierten Märkte geführt, aber insgesamt mit geringem Erfolg. In der Regel verlagerte sich der Schwarzhandel höchstens in eine andere Straße.

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Wie eine erste Begegnung mit dem Schwarzmarkt aussehen konnte, schildert Siegfried Lenz  in „Lehmann’s Erzählungen. Aus den Bekenntnissen eines Schwarzhändlers“:
 
„Sie gingen vorbei, ohne einander anzusehen, mit vorgegebener Gleichgültigkeit. Niemand schien in Eile. Auch ich ging die Straße hinab, schlenderte wie die anderen. War das der Markt, den ich erträumt hatte? Wo war das Geheimnis, wo der Vorteil? Und wie erfolgte der Handel? Aufmerksam ging ich weiter, und dann, ja, dann merkte ich es: ich hörte die Vorübergehenden leise sprechen, es klang wie Selbstgespräche, so daß ich an Kinder denken mußte, die, wenn man sie zum Einkaufen schickt, unaufhörlich wiederholen, was sie mitbringen sollen: einen Liter Milch, einen Liter Milch ... ... Schwarzmarkt, Talstraße in Hamburg, Quelle: Die Schwarzmarktzeit Bild 51.
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Schwarzmarkt, Talstraße in Hamburg, Quelle: Die Schwarzmarktzeit Bild 51. ... Auch die Leute, die sich hier gelassen aneinander vorbeischoben, wiederholten unaufhörlich denselben Spruch, als fürchteten sie, sie könnten ihr Stichwort vergessen. Ich hörte genau hin, hörte Stimmen, die im Vorbeigehen ehrgeizlos „Brotmarken“ oder „Nähgarn“ flüsterten, hörte eine Frau, die mit gesenktem Blick nur ein einziges Wort sagte: „Marinaden, Marinaden“, ein Greis murmelte: „Bettzeug, ein rotgesichtiges Mädchen: „Amis“. Jede Stimme empfahl ehrgeizlos etwas anderes: Schuhe, Fischwurst, Stopfnadeln – vielleicht waren es die vom Nordkap-, Uhren, Schinken, Kaffee und Eipulver. Niemand gab sich aufdringlich marktschreierisch – wie wohltuend war doch die Diskretion meines Marktes.
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Ich empfand, während ich leise „Sahnelöffel, Sahnelöffel“ zu flüstern begann, die tiefere Bedeutung dieses Vorgangs: die Nachfrage übertraf das Angebot bei weitem, der Mangel triumphierte, bestimmte den Kurs, und die Zeitgenossen bewiesen, daß sie dem Mangel gewachsen waren. Eine Revision der alten Werte hatte stattgefunden, die Not setzte den Preis fest. Man bezog, was man gerade effektiv braucht, und nicht, was man zu brauchen glaubte – nicht mehr. Der unmittelbare Bedarf hatte Vorrang. Die Bezahlung wurde von gegenwärtigem, nicht von zukünftigem Verlangen bestimmt, und was besonders zu Ehren kam, war die uralte Praxis der ersten Märkte -–der Tausch.“ ... Schwarzmarkt, auf dem Gelände um den Münchener Bahnhof, Quelle: Die Schwarzmarktzeit Bild 52.
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An Stellen, wo die Razzien besonders umfangreich durchgeführt wurden, kam es oft zu einer Dezentralisierung oder Aufsplitterung des Handels.
 
Quelle: Die Schwarzmarktzeit, Bild 53.
Gasthausgeschäft 
bei Bier und Korn
.. In München brachten viele Schwarzhändler zum Beispiel nur geringe Warenmengen zu den Umschlagplätzen mit, um den Verlust durch Beschlagnahmung bei Razzien möglichst klein zu halten. Sie postierten allerdings Mittelsmänner in Marktnähe mit einem weiteren Warenvorrat, auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden konnte.

Es wurde auch gerne dazu übergegangen anstelle des Straßengeschäftes den Geschäftsabschluss in Gasthäusern („Schwarzer Gaststättenhandel") oder Privatwohnungen zu tätigen und die Warenübergabe dann für einen späteren Zeitpunkt zu vereinbaren. 

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Je tiefer die bewilligten Lebensmittelrationen unter das physische Existenzminimum sanken und je höher der Mangel an wichtigsten Gebrauchsgütern und Heizmaterial war, desto stärker dehnte sich der Schwarzmarkt aus. 
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Schwarzmarkt in Hamburg,1946 Alte Frau verkauft Streichhölzer.
... Die Not zwang selbst ehrbare Bürger, die sich zuvor im Leben nie etwas zu Schulden hatten kommen lassen, in die Illegalität des Schwarzmarktes. 

Fast alle machten mit - mussten mitmachen, um zu überleben: Greise, Väter, Mütter, Kinder ...

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Quelle: Der Schwarzmarkt, S.81.
Schwarzmarktszene am Berliner Reichstag
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Viele kleine Schieber waren ehemalige Fremdarbeiter (klassifiziert als displaced persons), da diese bei den Rationen in Ernährung und Gütererwerb besser gestellt waren und dadurch die Möglichkeit hatten, für sie überschüssige Ware gewinnbringend auf dem Schwarzmarkt einzutauschen. 

Selbst viele alliierte Soldaten aller Besatzungszonen beteiligten sich am Schwarzhandel. Gerade wer Nichtraucher war, konnte dort die von der Armee zugeteilten Zigarettenrationen gegen kostbare Wertgegenstände eintauschen.

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Quelle: Die Schwarzmarktzeit, Bild 58.
Russischer Soldat, der gleich 3 Armbanduhren "erbeutet" hat.
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Quelle: Der Schwarzmarkt, S. 187.
Das Berliner Schieberehepaar Manke mit seiner zum größten Teil verdorbenen Schieberware
.... Die exorbitanten Gewinne, die sich auf dem Schwarzmarkt erzielen ließen, führten dazu, dass bald eine Schicht hauptberuflicher Schieber entstand. 

Selten bewahrheitete sich folgender Spruch so sehr wie in der Schwarzmarktzeit: 
„Und ist der Handel noch so klein, bringt er mehr als Arbeit ein.“

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Um dem Problem des illegalen Schwarzmarktes zu begegnen, wurden seit Sommer 1945 im Einvernehmen mit den Besatzungsmächten offizielle Tauschmärkte, Tauschläden und Tauschzentralen/ -ringe (wie es sie zum Teil auch schon in letzen Kriegsjahren gegeben hatte) eingerichtet. Allerdings war bei diesen der Handel mit Lebens- und Genußmitteln verboten. Kontrolliert vom Wirtschaftsamt sollte der offiziell abgesegnete Tauschverkehr die Schwarzmarktaktivitäten eindämmen.  ... Quelle: Der Schwarzmarkt, S.87
Berliner Tauschmarkt, Juni 1946 
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Aber die Maßnahme hatte nur begrenzten Erfolg, da gerade die Waren, die am dringendsten benötigt wurden, nicht gehandelt werden durften. Ein Großteil der Tauschgeschäfte entzog sich daher weiterhin der staatlichen Kontrolle.

In einer Grauzone zwischen dem illegalen schwarzen Markt und dem offiziell genehmigten Tauschhandel bewegten sich die Kompensationsgeschäfte der Betriebe und Fabriken, auch als  „grauer Markt“ bezeichnet. Bei der Kompensation wurde Ware nicht (oder nicht allein) mit Geld bezahlt, sondern im Zuge eines Gegengeschäftes ebenfalls mit Ware oder einer Dienstleistung beglichen.
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Um die Produktion wieder aufnehmen zu können, wurden von vielen Betrieben Materialien, Ersatzteile, Werkzeuge und Maschinen benötigt, die gegen Geld auf dem freien Markt nicht zu bekommen waren. Daher war meist die einzige Chance die Kompensation, wobei dem Geschäftspartner als Gegenleitung für die Lieferung nicht selten auch ein bestimmtes Kontingent am fertigen Produkt zugesagt wurde.
 

Ähnlich verhielt es sich mit den Arbeitern. Viele Arbeiter forderten zu den Löhnen zusätzliche Zuteilung von Lebensmitteln oder anderen Sachleistungen, die dann gerne auf dem Schwarzmarkt für andere begehrte Waren eingetauscht wurden. Um genügend Fachpersonal zu bekommen, wurde vor allem in der Kleineisenindustrie, der Textilindustrie und der Kautschukindustrie diesem Wunsch in Form von „Sachwertprämien" entsprochen. 

Als Anreiz zur Produktionssteigerung wurde im Ruhrgebiet für Bergarbeiter ein Punktesystem eingeführt (Bergmannspunkte). Die Punkte wurden bei regelmäßiger und möglichst hoher Arbeitsleistung angerechnet und konnten in speziellen Geschäften unter anderem gegen Genussmittel wie Kaffee, Schnapps und Zigaretten eingetauscht werden.

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Es gab zwar bereits mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 50 vom 20.3.1947 den Versuch durch die alliierte Militärregierung die Kompensationsgeschäfte und Sachwertprämien zu verbieten, aber durch den vehementen Widerstand der Betriebe, Arbeiter und deutschen Behörden gelang es, Ausnahmeregelungen durchzusetzen, die diesen „grauen Markt“ schließlich mehr oder minder offiziell erlaubten. 
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