Die Schwarzmarktzeit 1945-1948
Die Preisentwicklung auf dem Schwarzmarkt
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Die Währungszerrüttung nahm ihren Anfang in der Mitte
der 30er Jahre als durch die Kriegsfinanzierung aus Geldschöpfung
ein immer stärker anwachsender Geldüberhang enstand.
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Besonders in den letzten Monaten der Kriegswirtschaft vermehrte
sich der Geldumlauf gewaltig (von 8,7 Milliarden Reichsmark im Juni 1939
auf 70 Milliarden im April 1945). Viele Verbraucher hatten angesichts der
unsicheren Lage während des Krieges ihre Geldvermögen vorsorglich
aufgelöst. |
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In den meisten Geschäften wurden kaum noch Waren angeboten
und auch anderweitig gab es wenig Gelegenheiten, sein Geld (legal) auszugeben.
Selbst Vergnügungsetablissements und Kinos waren längst geschlossen.
Die Folge war eine hohe Inflation. Das Geld büßte beständig
an Wert ein. Dieser Prozeß hielt auch nach dem Krieg an, als die
Geldmenge durch die Ausgabe von Besatzungsgeld sich zunächst sogar
noch zusätzlich steigerte.
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Zigarettenstangen wechseln Ihren Besitzer
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Die Geldentwertung führte dazu, dass der direkte Warentausch
bei den Menschen immer beliebter wurde. Sogar die Wertvergleichsfunktion
des Geldes wurde von Waren übernommen. Hierbei waren es meist Zigaretten,
die als allgemeiner Wertmaßstab genommen wurden, so dass man schließlich
sogar von der „Zigarettenwährung“ sprach. Die Zigarettenwährung
hatte den Vorteil, relativ inflationsresistent zu sein, weil sie sich fortlaufend
in Rauch auflöste. |
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Tabakwaren waren zudem beliebt wegen der angeblich hungerstillenden
Wirklung des Nikotins. Mit knapp 60 Prozent Rauchern unter den Nachkriegsdeutschen
war die kontinuierliche Nachfrage überdies gesichert. Zigaretten eigneten
sich als Behelfswährung besonders gut, da sie haltbar waren, in kleinen
Mengen in den Verkehr gebracht werden konnten und nicht an nationale Grenzen
gebunden waren. Im Schnitt wurde 5-10 Reichsmark pro Zigarette bezahlt,
zeitweise stieg der Preis aber sogar auf 20 Reichsmark pro Stück an.
Führend am Markt waren die „Ami-Zigaretten“ (z.B. Lucky Strike, Chesterfield,
Camel). |
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Schwarzmarkt in Essen,
Februar 1947
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Es gab keine einheitlichen Schwarzmarktpreise. Sie differierten
von Stadt zu Stadt, von Zone zu Zone. Die regionalen Unterschiede waren
dabei oft gewaltig. Wie viel bezahlt wurde, war unter anderem abhängig
vom Einkommensniveau des jeweiligen Gebietes. Wo die Bevölkerung mehr
Geld zur Verfügung hatten, war man auch bereit höhere Preise
zu bezahlen. Zudem richtete sich der Preis nach dem Ausmaß des Mangels,
der bei einer höheren Bevölkerungsdichte naturgemäß
größer war. Daher entwickelte sich ein Preisgefälle, das
von den Millionenstädten Berlin und Hamburg über die anderen
Großstädte bis zu den Mittel- und Kleinstädten abfiel.
In ländlichen Gebieten hegte man eine besondere Abneigung gegenüber
den überhöhten Schwarzmarktpreisen und bevorzugte nach Möglichkeit
den Naturaltausch. |
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Als grober Richtwert kann man davon ausgehen, dass sich die Schwarzmarktpreise
in den großen Konsumzentren von August 1939 bis Ende 1944 etwa von
Jahr zu Jahr verdoppelten. Bei manchen besonders begehrten Waren stiegen
sie bis Anfang 1945 nahezu auf das hundertfache des Preisniveaus der Vorkriegszeit
an. Beispielsweise hatte die Eskalation in den letzten Kriegsmonaten dazu
geführt, dass für ein Pfund Kaffe zeitweise sogar über 2000
RM bezahlt wurde.
Bei Kriegsende sorgten Gerüchte über eine bevorstehende
reichliche Versorgung vorübergehend für einen Preisrutsch. So
sank der Preis für ein Pfund Kaffe im Frühsommer 1945 wieder
auf 400 Reichsmark. Doch schon im Spätsommer 1945 gab es angesichts
einschneidender Rationskürzungen und dem Bestreben vieler Verbraucher,
sich rechtzeitig genügend Vorräte für den Winter zu beschaffen
einen erneuten Preisanstieg. |
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Plakat mit der Aufforderung, Schwarzhandel und
Preiswucher anzuzeigen, Dresden 1948
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Zwischen 1946 und 1948 pendelten sich die Preise schließlich
mehr oder weniger unterhalb des Niveaus von 1944 ein. Das Abstoppen der
„Notpresse“ durch die Besatzungsmächte hatte zu einer Stabilisierung
des Geldumlaufs geführt.
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Es wird um jede Mark "geschinscht" (gehandelt).
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Nach dem Krieg waren eine Fülle neuer Waren im Angebotsspektrum
des Schwarzmarkt zu finden. Aufgrund des Zusammenbruchs der Industrie und
des damit einher gehenden Versorgungsmangels wurde nun fast die gesamte
Breite gewerblich-industrieller Produkte angeboten. Man zahlte in etwa
das 10- bis 20-fache dessen, was als Vorkriegspreis üblich war. Dominierend
blieben aber zwischen 1940 und 1948 die Preise für Lebens- und Genussmittel,
die stets den Preisen für gewerbliche Erzeugnisse und Löhne vorauseilten.
Ein Huhn, dessen Eier auf dem Schwarzmarkt einer Großstadt verkauft
wurden, "verdiente" beispielsweise problemlos doppelt so viel wie ein Bergarbeiter. |
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Da die Löhne in der Regel nicht ausreichten, um die schwindelerregenden
Preise auf dem Schwarzmarkt zu bezahlen, mussten bestehende Vermögenswerte
wie Geld-, Kapital- und Sachvermögen allmählich aufgezehrt werden.
Treffend beschreibt ein Reim im Münchener Merkur 1948 die Situation:
„Den Schmuck hat man als Butter aufgegessen,
die Meißner Tassen trägt man jetzt
als Schuh.
So wächst dem Eigner, was er einst besessen,
von Grund auf umgewandelt wieder zu ...“ |
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Anprobe auf dem Schwarzmarkt
Zum Tauschen liegen Glühbirnen, Obst und ein
Fahrradschlauch im Koffer bereit. |
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Schwarzhandelspreise vom Oktober 1946
Ware |
Mengen-
einheit |
Preis
1938 |
Ort |
RM |
Butter |
1kg |
3,21 |
Hamburg
Baden-Baden |
250
200-250 |
Fleisch |
1kg |
1,76 |
Baden-Baden
Wangen (Württ.) |
120
20 |
Bohnenkaffe |
1kg |
6,40 |
Baden-Baden
Hamburg
Wagen (Württ.) |
450-650
300
100 |
Zucker |
1kg |
0,84 |
Stuttgart
Hamburg |
250
180 |
Brot |
1kg |
0,32 |
Brit. Zone
Berlin
Baden-Baden |
60
40
20 |
amerik. Zigaretten |
20 St. |
- |
Berlin
Hamburg
Rheinland
Lindau |
200
120
100
50 |
Damenschuhe |
1 Paar |
- |
Berlin
US-Zone
Pirmasens |
600
300
80 |
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(Quelle: "Der Schwarzmarkt 1945-1948. Vom Überleben
nach dem Kriege"
von Willi A. Boelcke, Braunschweig 1986, S.106.)
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