Die Schwarzmarktzeit 1945-1948
Die Quellen des Schwarzmarktes
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Die Ware, die auf dem Schwarzmarkt angeboten wurde, kam aus unterschiedlichsten
Quellen. Beliebt waren die Güterbestände der Besatzungsmächte,
vor allem deren Lebens- und Genussmittelressourcen. Zwar war es den Besatzungssoldaten
offiziell untersagt, sich an Schwarzmarktgeschäften zu beteiligen,
aber so mancher setzte sich über die Vorschriften hinweg.
Linkes Bild: Sowjetsoldaten mit Cabriolet
auf einem Berliner Schwarzmarkt, 1946. |
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So gelangten Brot, Zucker, Speck und Zigaretten aus Armeebeständen
auf den Schwarzmarkt und wurden da gegen begehrte „Trophäen“ wie militärische
Orden, Kameras (Leicas), goldene Uhren und Schmuck, aber auch mal ganz
gerne gegen Schnaps eingetauscht.
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Gerade der Handel mit "Ami-Zigaretten" versprach höchste Gewinne.
Eine Packung amerikanischer Zigaretten (20 Stück) kosteten einen amerikanischen
Soldaten unabhängig von der Marke in einem amerikanischen Armeepostamt
in Deutschland zwischen 1945 und 1947 50 Cents . Eine Stange Zigaretten
(10 Packungen oder 200 Stück) kosteten 5 Dollar. Bei einem Mittel
von 5 Reichsmark pro Zigarette konnte man auf diese Weise leicht 1000 Reichsmark
für eine Stange bekommen. Täglich wurden über das Armeepostamt
über 600 000 Zigaretten in die amerikanische Zone geliefert. Wer etwas
von seiner zugeteilten Zigarettenration abzweigte oder sich sogar aus Amerika
weiteren Vorrat an Zigaretten besorgen konnte, hatte die Möglichkeit,
diese auf dem Schwarzmarkt gegen ein kleines Vermögen an Wertgegenständen
einzutauschen. |
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...Amerikanische Soldaten
bezahlten in etwa für ein:
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Ritterkreuz (für eine hervorragende Tat
an der Front) = 1 Stange Zigaretten (1000 RM) |
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Deutsches Kreuz in Gold (für eine Reihe
hervorragender Leistungen an der Ostfront) = 2 Stangen Zigaretten (2000
RM) |
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Eisernes Kreuz 1.Klasse = 3 Schachteln Zigaretten |
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Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern = 5 Schachteln
Zigaretten |
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Fernglas = 10 Schachteln Zigaretten |
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Es gab auch eine Reihe alliierter Besatzungssoldaten, die in größerem
Stil mit Schwarzhändlern zusammenarbeiteten. Sie deckten deren Schwarzmarktgeschäfte,
stellten sogar Armeefahrzeuge für den Schmuggel zur Verfügung
und halfen, Waren aus Armeebestände zu entwenden. Eine Vielzahl an
Waren aus Militärbeständen inklusive ganzer Kontainer voller
Zigaretten verschwanden während der Überführung. Selbst
unterschlagene Care-Pakete landeten auf diese Weise auf dem Schwarzmarkt.
Die Korruption im gesamten Nachschubwesen auch unter den deutschen
Behörden war sehr verbreitet und erschwerte eine erfolgreiche Bekämpfung
der Schwarzmarkttätigkeiten erheblich.
Linkes Bild: Schmuggler und Schwarzhändler bestehlen
das Volksvermögen. Plakat gegen den Schwarzmarkthandel. Besatzungszonen,
um 1948.
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Eingeschmuggelte Auslandsware war eine weitere wichtige Quelle des
Schwarzmarktes. Besonders in den Grenzgebieten zu Holland, Belgien, Luxemburg
und der Schweiz reizte der Schmuggel. Die Bevölkerung in Grenznähe
schloss sich bisweilen beim Schmuggel von Kaffee, Zigaretten und Lebensmitteln
zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen, die nicht selten von der
Kirche gedeckt wurde. Zum Dank wurden Schmugglergewinne zum Wiederaufbau
der heimischen Kirche verwendet, die dann schon mal den Spitznamen "St.
Mokka" erhielt. Vor allem Kinder wurden gerne über die Grenze geschickt,
weil sie im Falle einer Aufdeckung durch Zöllner nicht bestraft werden
konnten. |
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Erfolg für die Bremer Zollfahndung 1949. Hinter
einer Schicht Toilettenpapier kommen über 5 Millionen amerikanischer
Zigaretten zum Vorschein. |
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Taxierung des Wertes. Das wertvolles Service solle
gegen etwas Essbares getauscht werden |
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Des weiteren landete eine Vielzahl an Wertgegenständen und
Gebrauchsgütern aus dem Besitz deutscher Familien auf dem Schwarzmarkt,
die sich genötigt sahen, diese zu veräußern, um an dringend
benötigte Lebensmittel, Kleidung, etc. zu kommen.
Es kam zu einem regelrechten Ausverkauf deutscher Vermögenssubstanz
ins Ausland. Viele wertvolle Familienerbstücke wurden von Besatzungssoldaten
erworben und fanden so ihr neues Zuhause außerhalb der deutschen
Grenzen. |
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Darüber hinaus wurden natürlich auch ganz regulär
verkaufte industriell-gewerbliche Gebrauchsgüter und landwirtschaftliche
Erzeugnisse aus der laufenden Produktion auf dem Schwarzmarkt angeboten.
Manch einer zweigte sich etwas von seinen Zuteilungsmengen, Naturaldeputaten
und Sachwertprämien ab, um diese dann auf dem Schwarzmarkt gegen Waren
zu tauschen, die er noch dringender benötigte. Viele Arbeiter aus
dem Ruhrpott versuchten zum Beispiel ihre Stahlwaren, Pfannen, Aluminiumtöpfe
und Haushaltsgegenstände gegen Lebensmittel in Bayern oder Niedersachsen
zu tauschen.
Rechtes Bild: "Die einen kommen, die anderen gehen.
An der Straßenbahnhaltestelle am Viehofer Platz in Essen treffen
sich alle Wege des Schwarzen Geldes. Das junge Ehepaar hat eben Kartoffeln
aus Westfalen geholt und ist am Nordbahnhof ausgestiegen. Die Frau im Vordergrund
wird morgen für ihre Wanne Kartoffeln heimbringen." Aus dem Zeitungsartikel
"Das schwarze Geld des Ruhrgebietes", Stuttgarter Rundschau, Nr. 1, Januar
1948. |
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Hamsterfahrt mit der Eisenbahn im Jahre 1946
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Die meisten landwirtschaftliche Betriebe konnten mit dem, was ihnen
für die abgelieferten Lebensmittel aufgrund der Preisvorschriften
bezahlt wurde, nicht kostendeckend arbeiten. Von daher versuchten sie,
Ertragsüberschüsse durch nicht angegebenes Vieh, falsch deklarierte
Landmengen oder nicht erfüllte Ablieferungskontingente illegal gewinnbringend
abzugeben. Denn hier lockten hohe Gewinne. Nachfrage gab es bei den Strömen
von Städtern, die zu Hamsterfahrten aufs Land fuhren, um dort nicht
selten ihr letztes Hab und Gut gegen Lebensmittel einzutauschen, mehr als
genug. |
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Viele Waren für den Schwarzmarkt wurden auf kriminelle Weise
„organisiert“. Diebstahl, Raub, Plünderung und Betrug sorgten immer
wieder für neuen Nachschub. Die Raubkriminalität war das häufigste
und charakteristischste Gewaltverbrechen dieser Jahre (auch in Italien,
Polen, Rußland und auf dem Balkan). Oft als organisierter Bandenraub
wurden Lebensmitteln aller Art, Gebrauchsgüter und Wertgegenstände
gestohlen, zum Teil sogar mit bereitstehenden Kraftfahrzeugen für
den zügigen Abtransport selbst sperriger, schwerer Gegenstände
oder auch von Vieh. Viele verwahrloste Jugendliche und Kinder schlossen
sich zu Banden zusammen und begingen Diebstähle, betrieben Hehlerei
und beteiligten sich am Schwarzhandel. |
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Jugendliche Schwarzhändler in Frankfurt,
1946
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Zahlreiche Eisenbahnen und Lastwagen wurden geplündert (vor
allem, wenn sie Kohlen oder Lebensmittel transportierten), indem einer
oder mehrere heimlich aufsprangen und dann die Waren herunterwarfen, um
sie später selber aufzusammeln oder durch Helfershelfer aufsammeln
zu lassen. In einem Fall berichtete die US Army, dass letztlich nur 70
Waggonladungen mit Kohle von 120 Waggonladungen in Nürnberg eintrafen.
In einem anderen Fall verschwanden über 1000 Tonnen Kohle auf dem
Weg von München nach Nürnberg.
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Plünderung eines mit Kohlen beladenen LKWs
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Kohlenklau an den Bahndämmen
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Geplündertes Haus in der Stadmitte Münchens
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Es wurde gewildert, Feldfrüchte wurden gestohlen, es wurde
schwarz gebrannt und schwarz geschlachtet. Lebensmittelkarten und Bezugsberechtigungen
wurden in Verteilungsstellen oder gleich direkt dem Verbraucher gestohlen.
Nicht bewohnte Wohnungen wurden geplündert.
Fälschungen und Betrügereien waren weit verbreitet. Illegale
Marken- und Gelddruckereien brachten gefälschte Lebensmittelmarken,
Bezugscheine und Banknoten in Umlauf. Auch falsche Papiere, Besitzurkunden
und "Persilscheine" erfreuten sich reger Nachfrage. Beim Warenkauf musste
man darauf achten, nicht betrogen zu werden. Denn oft waren die Waren durch
die Zugabe minderwertiger Zutaten „gestreckt“ oder die Verpackung enthielt
gar nicht das, was sie vorgab zu enthalten. |
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Beliebte Streckmittel waren unter anderem Wasser (zum Beispiel bei
Milch, Butter oder Benzin) und Sägemehl (bei Brot und Kuchen). Zigaretten
waren teilweise mit Papier gestopft und zur Tarnung nur an den Enden mit
Tabakkrümeln versehen.
Der Betrug konnte auch gesundheitsschädigende bis lebensgefährdende
Auswirkungen haben, z.B. wenn Torpedoöl als Bratöl verkauft oder
bei alkoholischen Getränken Methanol beigemischt wurde. Zahlreiche
Todesfälle gab es auch durch verunreinigte oder gestreckte Medikamente. |
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Wer den Betrug früh genug bemerkte, griff
zur Selbsthilfe
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Aus Handel und Gewerbe gelangten veruntreute, unterschlagene bzw.
„verwirtschaftete“ Waren sowie Schwundmengen in den schwarzen Handel.
So mancher Lebensmittelhändler nahm es beim Abwiegen nicht so genau
und tauschte dann die dadurch erzielten Überschüsse gewinnbringend
auf dem Schwarzmarkt ein. Anderswo „verschwanden“ Waren auf dem Weg oder
im Geschäft auf unerklärliche Weise. Solange sich der „Schwund“
in Grenzen hielt, wurde er von offizieller Seite als „unvermeidlich“ (bzw.
schwerlich nachweisbar) toleriert.
Linkes Bild: Aus Furcht vor unerwünschtem "Schwund"
werden die Kaffeesäcke im Hafen unter Polizeiaufsicht entladen. Bremen,
Juli 1948 . |
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Andere versuchten durch falsche Angaben bei den Verteilungsämtern
zusätzliche Lebensmittelmarken und Bezugsscheine zu ergattern. Beispielsweise
wurden auf diese Weise Karten für Personen bezogen, die bereits tot
waren oder ein einzelner erhielt mehr Karten als ihm zustanden, indem er
sich in mehreren Bezirken als Bezugsberechtigter angemeldet hatte. Selbst
falsche Polizisten traten hier und da auf und beschlagnahmten Waren für
den Eigenbedarf.
Die Kriminalität der Schwarzmarktzeit war ein Abbild und Barometer
der politisch-sozialen Lage. Für viele galt: „Man
darf alles – man darf sich nur nicht erwischen lassen.“
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