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Evakuierung Wageningens
10. Mai 1940
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Angesichts der drohenden Gefahr eines Krieges beschloss die niederländische Regierung am 29. August 1939 die allgemeine Mobilisierung.
 
Die Grebbelinie als wichtiger Wasserverteidigungswall wurde im Zuge dieser Maßnahme wieder instand gesetzt. Die Grebbelinie, die schon im 18. Jahrhundert angelegt worden war, reichte vom Niederrhein beim Grebbeberg zu Rhenen entlang des Grift-Kanals und der Eem bis hin zum Ijsselmeer.

Im Fall eines Angriffs bot die Wasserlinie Schutz vor einer raschen Überquerung durch gegnerische Soldaten. Zudem gab es die Möglichkeit, gezielt Gebiete zu überschwemmen, um dem Feind das Eindringen ins Landesinnere zusätzlich zu erschweren. 

Bewohner, die im Umfeld dieses strategisch wichtigen Gebietes lebten, mussten dafür jedoch aus Sicherheitsgründen hinter die Wasserlinie zurück in die „Festung Holland“ gebracht werden. 

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Karte von der Grebbelinie (Quelle: www.grebbeberg.nl)
Die gestrichelten Bereiche vor der Linie zeigen die 
Überschwemmungsgebiete an (innundaties)
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   Anweisungen des Bürgermeisters für die Evakuierung
........ Nachdem die Bürgermeister der betroffenen Städte im Vorfeld durch geheime Mitteilungen über das Vorhaben informiert worden waren, wurde die Bevölkerung schließlich ab Ende November durch allgemeine Anweisungen über die bevorstehende Evakuierung offiziell in Kenntnis gesetzt. Der Evakuierungsplan sah vor, hunderttausende Menschen mit Zügen oder Schiffen umzusiedeln. 
 

Was die Einwohner mitnehmen wollten, sollte im Vorfeld fertig gepackt bereit stehen, damit die Evakuierung sofort nach Eintreffen der entsprechenden Order ohne viel Zeitverlust von Statten gehen konnte. Öffentliche Bekanntmachungen informierten darüber, was in jedem Fall mitgenommen werden sollte und woran beim Packen und Verlassen des Hauses zu denken sei. 

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Die Stadt wurde in verschiedene Bezirke eingeteilt, denen jeweils ein Gruppenleiter vorstand, der für die Organisation vor Ort zuständig war. 
Nach dem Verlassen der Häuser wurde den Gruppenleitern auch die Haustürschlüssel ausgehändigt, welche vorher mit einem Etikett mit Namen, Straße und Hausnummer zu kennzeichnen waren.

Rechts: Karte für die Einwohner, in welcher der zuständige Gruppenleiter für den Fall der Evakuierung ausgewiesen ist

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Warnende Mitteilung des Bürgermeisters, dass der Befehl zur Evakuierung kurz bevorsteht 
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Etikett für Evakuierte aus Wageningen zur Kennzeichnung 
von Gepäck und Kleidung. 

Am Morgen des 10. Mai wurden die Wageninger vom Geräuschen überfliegender Militärflugzeuge geweckt. Schwere Bomber, Aufklärungsflugzeuge und Jäger flogen über den Rhein von Osten nach Westen. 
Vom Grebbeberg schallte das dumpfe Dröhnen der Abwehrgeschosse herüber. Im Radio wurde verkündet, dass deutsche Fallschirmjäger auf vielen Plätzen im Westen Hollands gelandet waren. Nun hatte auch für die Niederländer der Krieg begonnen.

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Nach Monaten der Vorbereitung war nun der Zeitpunkt für die Evakuierung gekommen. Von der Gesamtzahl von 14 550 Einwohnern wurden insgesamt 12 400 Personen noch am gleichen Tag zusammen mit den Einwohnern umliegender Gemeinden per Schiff evakuiert. Nacheinander gingen die vorher eingeteilten Gruppen mit ihren Gruppenleitern zum Hafen und nahmen dabei soviel mit, wie sie tragen oder mit Karren und Fahrrädern transportieren konnten.  ....
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.... Im Hafen lagen für die Evakuierung bereits seit dem 20. April zweiundreißig Schiffe vor Anker. 

Haustiere durften nicht mitgenommen werden. Man ließ sie entweder laufen oder brachte sie zum Schlachthaus, wo sie getötet wurden. Ein Teil des Viehs wurde auf vier Schiffen evakuiert.

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Während der 20 Tage Wartezeit hatte man versäumt, die Zement- und Kohlenschlepper, in denen die Einwohner evakuiert werden sollten, vorher zu säubern. Schmutz und Gestank sowie mangelnde sanitäre Anlagen machten den Evakuierten daher zu schaffen. In den überfüllten Schiffen wurden etwa 200 Personen in jedem Raum mit nur einer Toilette zusammengepfercht. Die meisten Menschen lagerten auf Stroh auf dem Schiffsboden. .  ..
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Um vier Uhr nachmittag startete der erste Zug mit 8 Schiffen. Der letzte legte um halb sieben ab. Leider konnte am angewiesenen Bestimmungsort nicht mehr angelegt werden, da Ijsselmonde und Umgebung bereits von den Deutschen besetzt worden war. Am 11. Mai befanden sich die Schiffe mit etwa 40 000 Evakuierten aus Wageningen und anderen umliegenden Ortschaften an Bord in der Mitte des Flusses bei Schoonhoven. 
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Schließlich wurden die Bewohner Wageningens am 11. und 12. Mai auf diversen Plätzen entlang der Lek und Umgebung untergebracht. 5 Menschen starben am Ort der Evakuierung. Vier Kinder wurden geboren, ein Mädchen und drei Jungen.

Einen Tag nach der niederländischen Kapitulation am 14. Mai fuhr eine Delegation von Stadtverordneten mit dem Auto nach Wageningen, um dort das Ausmaß der Zerstörungen in der Stadt zu begutachten und die Rückkehr der Evakuierten vorzubereiten.

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Quelle: www.wageningen1940-1945.nl
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Ab dem 17. Mai kehrte dann auch der Rest der Bevölkerung zurück nach Wageningen. Einige fuhren mit dem Auto, andere mit Schiffen. Innerhalb von zwei Wochen kehrten die meisten Personen aus den evakuierten Gebieten wieder zurück nach Hause.
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Amtliche Erlaubnis der Gemeinde Wageningen für den Verbleib in der Stadt
...... Von denen, die nicht mit den Schiffen evakuiert wurden, gab es einige, die während der Zeit der Evakuierung zu Familienangehörigen aufs Land zogen.

Andere, weigerten sich zu gehen und versuchten eine Genehmigung zu bekommen, die ihnen den Verbleib in der Stadt erlaubte. Während des Beschusses der Stadt, suchten die Zurückgebliebenen Zuflucht an den Orten, die noch nicht zerstört waren. Vier von ihnen kamen dabei ums Leben.

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In der Zeit der Evakuierung kam es in den verlassenen Wohnungen in großem Ausmaße zu Plünderungen. Die Türen und Türzagen waren fast überall zerstört. Neben den Plünderungen verzeichnete die Stadt auch starke Zerstörungen. 
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Quelle: Historische Vereinigung Oud-Wageningen
.... Durch niederländisches Artilleriefeuer wurden 132 Häuser komplett zerstört, davon 71 einzelne Wohnungen, 13 Bauernhöfe, 30 Geschäfte, 2 Cafés, 8 Fabriken, Packhäuser und Werkstätten, 6 öffentliche Gebäude und zwei weitere Gebäude. 112 Häuser wurden schwer beschädigt, darunter 45 einzelne Wohnungen, 10 Gehöfte und 29 Geschäfte. 494 Häuser wurden leicht beschädigt. 150 Familien wurden obdachlos.
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Weitere Informationen zur Evakuierung Wageningens unter:
www.wageningen1940-1945.nl
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